Facebook, Handtschen, Brustkrebs und Sex
Anscheinend ist Oktober der "Brustkrebsmonat". Mir war nicht bewusst, dass es einen solchen Monat gibt, bis ich eine Nachricht erhielt, die mich dazu aufforderte, in meinem Facebook-Status bekannt zu geben, wo ich meine Handtasche gerne hinstelle, wenn ich nach Hause komme. Das Wort "Tasche" soll hierbei mit dem Wort "es" ersetzt werden. Ich hatte bereits einige Stati wie "Ich mag es auf dem Küchentisch" und "Ich mag es hinter der Tür" in meinem Newsfeed gesehen.
Besagte Nachricht wurde nur an Frauen versendet. In ihr war beschrieben, wie die Aktion an ähnliche vorherige Aktionen angelehnt war. Im letzten Jahr, zum Beispiel, war die Aufgabe, im Namen von Brustkrebs die Farbe der eigenen Unterwäsche zu verraten - damit "Männer sich tagelang wundern, was es mit den Farben auf sich hat, und wir es in die Nachrichten bringen".
Ich hatte auch im letzten Jahr nicht teilgenommen, obwohl mir der Zusammenhang zwischen einem BH und einer Brust einleuchtete. In diesem Jahr fiel mir als Verbindung allerdings nur ein aktuelles Magazincover ein, auf dem ein Täschchen so fotografiert war, dass es wie eine Vagina aussieht. Doch egal, wie viel Mühe ich mir gab, eine Verbindung zwischen den Orten, an denen ich gerne Sex habe, meiner Handtasche und Brustkrebs herzustellen - es klappte nicht: Seit wann haben wir Sex an den Orten, an denen wir unsere Taschen deponieren? Warum nicht einfach Informationen über Brustkrebs posten, wenn man Aufmerksamkeit auf das Thema lenken möchte? Anstatt also dem Aufruf zu folgen, änderte ich meinen Status zu:
Annina Luzie Schmid muss sagen, dass sie die diesjährige "geheime" Kampagne genauso sexistisch und flach findet wie die letztjährige. Ihr macht Euch alle zum Objekt, Mädels!
Ich war mir sehr bewusst, dass das eine provokante Ansage war. In der Tat hoffte ich auf eine lebendige Diskussion zum Thema Sexismus. Und wirklich, die wurde geführt! 38 Kommentare, 9 Likes, und 4 darauf Bezug nehmende Blogeinträge*.
Während einige meiner Freunde meine Meinung teilten, dass die Kampagne nicht Brustkrebs, sondern höchstens eine so genannte "Raunch Culture" ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, fühlten sich andere angegriffen - besonders jene, die sich zuvor selbst an der Aktion beteiligt hatten. Sie hatten das Gefühl, ich fände sie persönlich sexistisch, und waren nicht einverstanden mit meinem Eindruck, dass sie sich zum Objekt machten. Im Gegenteil, sie fanden, dass sie eine Gelegenheit beim Schopfe ergriffen, um offen über Sex zu reden.
Brauchen wir wirklich eine PR-Firma, die uns einen Anlass gibt, um offen über Sex zu reden? Können wir nicht einfach zugeben, dass wir ihn mindestens einmal hatten, wenn wir nicht wirklich in der Stimmung waren? Oder sagen, wie wir es WIRKLICH gerne mögen? Eine Freundin, die "es überall da mag, wo sie's nicht finden kann", war sich nicht einmal bewusst, dass hinter der Aktion eine Initiative stand. Ihre Gründe, um sich zu beteiligen waren, "albern zu sein, da Facebook einem Albernheit erlaubt, und einer 'Gemeinschaft' anzugehören, auch wenn diese albern ist".
Und was ist überhaupt mit den Männern? Sind die nicht auch von Brustkrebs betroffen? Besitzen einige von ihnen nicht auch Handtaschen? Wie Phill sagte: "Hier liegt die Annahme zugrunde, dass alle Frauen Handtaschen und Sex haben. Das ist nicht der Fall. Man muss keine Handtasche und/oder Sex haben, um eine Frau zu sein. Die Aktion wäre offensichtlicher falsch, wenn die Frage lauten würde, wo man sein Geschirrhandtuch am liebsten hinhängt. Das ist das sexistische Element daran."
Männer insgesamt von der Aktion auszuschließen und sie dabei als notgeile Böcke darzustellen, die sich nur für Sex interessieren, ist ebenfalls sexistisch, nur anders herum. Ich stimme auch nicht mit der Ansicht einer weiteren Diskutantin überein, die meinte, dass "Männer generell Angst davor haben, über Krankheiten nachzudenken, und sie lieber ausblenden". Männer können ebenfalls an Brustkrebs erkranken.
Einige sagten, ich hätte ihnen den Spass an der Aktion verdorben. Aber sind wir uns nicht alle einig darüber, dass weder Sexismus noch Brustkrebs lustig sind? Ich ging davon aus, dass alle Beteiligten sich über die pseudo-provokante Natur der Kampagne im Klaren waren. Natürlich würde es Reaktionen auf die Statusänderungen geben. Meine eigene war nur eben nicht die typische "LOL! Ach, echt? Kann ich rüberkommen?"-Sorte.
Wann immer man seine Meinung sagt, muss man damit rechnen, dass Menschen antworten. Um gehört zu werden, muss man manchmal geradeheraus sein. Was ich schrieb, war weder beleidigend gemeint noch Schikane. Was ich schrieb, war nur meine Meinung. Es gibt andere Möglichkeiten, in seinem Facebook-Status auf Brustkrebs hinzuweisen. Ein Beispiel?
Mädels, lasst liegen, was Ihr gerade tut, und tastet Eure Brüste ab. Holt Euch dabei Hilfe, wenn Ihr müsst. Aber tut es. Jetzt!
* Interchris, Phill, und Insatiable Hee haben englische Posts zu dem Thema verfasst, und hier gibt es Interchris' Antwort auf Insatiable Hee's post. Sie alle haben wertvolle Beiträge zur Diskussion geleistet. Lest Ihre Artikel, wenn Ihr noch Zeit habt!
Guter Artikel, dachte ich mir genauso. Ich selber habe eine sehr schwierige, wenn auch kurze Zeit hinter mir, in der es tatsächlich darum ging: Habe ich Brustkrebs oder nicht? Die Tage bis zum Biopsieergebnis waren die schlimmsten, die ich je hatte. Alles gut, aber trotzdem: weiter tasten und regelmäßig zur Ärztin gehen. Nichts anderes kann mir und anderen Busenträgerinnen helfen.
ReplyDeleteHilli
Liebe Hilli, vielen Dank für Deinen Kommentar! Freut mich, dass Dir der Artikel gefallen hat, aber noch viel mehr, dass Du gesund bist! Alles Gute weiterhin, Annina
ReplyDeleteAch :D Die meisten machen das doch just for fun :D Ihr müsst doch nicht gleich so ernst sein xD als ob das andere was du getan hast die Leute dazu bewegen würde über Bruskebs nachzudenken :'D
ReplyDeleteHabe nie behauptet, dass ich die Leute dazu bringen will, über Brustkrebs nachzudenken. Mir ging es um den impliziten Sexismus dieser Aktion. LG
ReplyDeleteDanke für diesen Artikel - ich habe weder in diesem noch im letzten Jahr an der Aktion teilgenommen. Die Idee von 2009 konnte ich aber noch einigermaßen nachvollziehen. Zwei Dinge stören mich an der diesjährigen Kampagne. Eines hast du schon genannt: Was hat eine Handtasche mit Brustkrebs oder überhaupt mit Frauen zu tun? Ich verstehe meine Handtasche nicht als Teil von mir oder als einen Gegenstand, der mich als Frau definiert. Außerdem sehe ich nicht, was Sex mit Brustkrebs zu tun hat. Sinkt die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, wenn ich Sex an außergewöhnlichen Orten habe? Ich bezweifle, dass die Kampagne viele Frauen dazu bewegen wird, stärker präventiv gegen Brustkrebs vorzugehen. Stattdessen nehmen wohl tatsächlich viele Frauen "just for fun" daran teil und posten unnötigerweise Statusmeldungen auf Facebook, die als sexuelle Anspielung verstanden werden und bei genauerem Hinsehen Frauen mit Handtaschen in Verbindung bringen. Echt super.
ReplyDeleteIch hab auch an der Aktion teilgenommen, nachdem eine Freundin mich anschreib und für mich befunden, dass ich es nicht seixistisch finde... für mich steht eher der Aufmerksamkeitswert im Vordergrund. Man liest solche Beiträge automatisch, und denkst sich was dabei. Es ist viel zu plump, um ernstgemeint zu sein, da muss doch was dahinterstecken! Das ist mal was anderes. Denn Aufforderungen zur Vorsorge sieht man an jeder Ecke und die werden deswegen bestimmt auch gerne mal überlesen.. was vielleicht noch sinnvoll gewesen wäre, einen Vermerkslink dahinter zu setzen, sodass man sehen kann, in wlechem Kontekt diese Statusmeldungen stehen.
ReplyDeletekomplett richtig!
ReplyDeleteIch denke auch, dass viele Frauen es eher witzig fanden als sexuelle Wesen wahrgenommen zu werden, was ich aber nicht mit "zum Objekt machen" beschreiben würde, sondern eher damit, das man über den geweckten Wunsch etwas sexuelle Macht in den Händen hält.
ReplyDeleteIch zitiere mal: " (...) und tastet Eure Brüste ab. Holt Euch dabei Hilfe, wenn Ihr müsst."
ReplyDeleteUnd DAS kann natürlich überhaupt nicht zweideutig verstanden werden...