Jan 25, 2013

Keine Frau hat je genug geschrieben!

Illustration: Annina Luzie Schmid
tldr: Wer sich gegen Diskriminierung stellt, kann sich nicht nur gegen eine Form der Diskriminierung stellen. Wer Rassismus und Sexismus verteidigt, hat keinen Anstand und auch keinen Platz in einer lebenswerten Gesellschaft. Alle, die sich gegen Diskriminierung stellen, dürfen schreiben, was sie wollen, wann sie wollen. Besonders Frauen. 

Auf Facebook finden gerade zwei Debatten statt, die ziemlich viel gemeinsam haben.


Das N*Wort
Zum einen wäre da die N*Wort-Debatte. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass alle, die auch nur fünf Minuten ernsthaft über das Thema nachdenken, zu dem Schluss kommen werden, dass dieses Wort aus neuaufgelegten Kinderbüchern verschwinden muss. Dabei spricht natürlich nichts gegen Originalfassungen der Texte, die als Zeitdokumente in Bibliotheken eingesehen werden können.  
Zeitgemäße Anpassungen einzelner Wörter bedeuten keinen Eingriff in Weltliteratur, sondern signalisieren den vorlesenden Eltern, dass ihr höchstwahrscheinlich (oft auch unbewusst) vorhandener Alltagsrassismus nicht mehr angesagt ist. Die Welt dreht sich weiter, macht gesellschaftlichte Fortschritte. Das ist wünschenswert. Besonders im Falle des N*Wortes, das eben nicht beschreibend, sondern wertend ist. Abwertend, um genau zu sein. Daher hat die Vermeidung des Wortes auch nichts mit der Worthülse 'Political Correctness' zu tun, die ohnehin nie etwas anderes als ein Schimpfwort war, sondern mit Anstand.

Alltagsrassismus bei LovelyBooks
Versuche, die N*Wort-Debatte für die eigene Publicity zu nutzen - wie hier demonstriert an einem wirklich außerordentlich dämlichen Post von LovelyBooks - gießen Öl ins Feuer und beweisen, dass noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Und zwar auch bei Menschen, die sich für belesen halten. Bleibt nur zu hoffen, dass der Weg wirklich das Ziel ist. Auf eine Entschuldigung der Administratoren der Seite warten die UserInnen seither übrigens vergebens.

Bücher, in denen sich der idealtypische Grundsatz der Menschlichkeit nicht wiederfinden lässt, sind meiner Meinung nach nicht für Kinder geeignet. Und Texte, die so rassistisch durchzogen sind, dass einzelne Wortanpassungen nicht genügen, um dem Problem beizukommen, sollten aus dem Kinderbuchkanon verschwinden. Und was, bitteschön, sollen wir dann vorlesen, werdet Ihr fragen.  „König und König“ vielleicht: Eine Geschichte, in der einem Prinzen viele schöne Prinzessinnen angeboten werden, er sich am Ende aber für einen Prinzen entscheidet.


Wie das alles mit uns zusammenhängt I
Ich bin wirklich nicht vorne dabei, was den aktuellen akademischen feministischen Diskurs betrifft, aber es liegt auf der Hand, dass sich Menschen, die sich grundsätzlich gegen Diskriminierung stellen,  nicht nur gegen eine Form der Diskriminierung stellen können. Feministinnen wie bell hooks wissen das schon sehr lange.
Wer ein Herz hat, hat nicht nur eines für mächtige, weiße Menschen, sondern auch eines für weibliche Menschen, eines für homosexuelle Menschen, eines für nichtweiße Menschen, eines für Menschen mit Behinderung und sogar eines für Tiere. Alle anderen haben keins.
Ich gebe zu: Bis ich das verstanden hatte, brauchte ich eine humanistische Erziehung, Psychologeneltern, einen internationalen Freundeskreis, ein Studium der Kriegs- und Friedensforschung, die Mädchenmannschaft und eine regelmäßige Yogapraxis. Aber der Aufwand hat sich gelohnt. Und vielleicht hätte ich nichts davon gebraucht, wenn es bereits zu Zeiten meiner Geburt andere gesellschaftliche Werte, Realitäten und Kinderbücher gegeben hätte.

Und weil ich selbst so viele Jahre gebraucht habe, um das mit der Diskriminierung zu verstehen, weiß ich, dass ich von Leuten, die sich zum ersten Mal mit der Thematik befassen, nicht erwarten kann, dass das bei ihnen schneller klappt.
Was ich aber erwarte, ist, dass man sich die Zeit nimmt, über neue, für einen selbst unübliche Standpunkte nachzudenken. Selbst, wenn man in seinem Freundeskreis keine dunkelhäutigen oder lesbischen Freundinnen hat - es gibt das Internet, Fernsehen und Bücher. Diese Medien informieren oft selten genug über die von uns Weißen produzierte, oftmals ätzende Lebensrealität der Betroffenen. Oder über ihre riesigen Erfolge trotz all unserer Versuche, diese zu sabotieren. Mehr zu dieser Tatsache, genannt Alltagsrassismus, findet Ihr zum Beispiel in Plantation Memories von Grada Kilomba oder Deutschland Schwarz Weiss von Noah Sow.
Wahrscheinlich fühlt Ihr Euch jetzt gerade aber erstmal nicht ganz wohl mit dem vergemeinschaftenden "wir" meiner Sätze. Dann fragt Euch mal, wie Ihr in der Vergangenheit in kritischen Situationen reagiert habt - oder eben auch nicht. Ich kenne sie bedauernswerterweise von mir selbst: Die vielen Momente, in denen ich lieber geschwiegen habe, als das Richtige zu sagen. In denen ich mich nicht gewehrt habe, als ich mich hätte wehren sollen. Natürlich nicht gegen rassistische Ausgrenzung, aber gegen Sexismus zum Beispiel.


Der kleinbuchstabige #aufschrei

Quelle: bild.de
Das ist nämlich die andere Debatte, die in den sozialen Medien gerade stattfindet: Von Twitter (#aufschrei) bis zur BILD, die artgerecht natürlich gar nicht anders kann, als das Wort "Belästigung" ohne das verharmlosende Wort "Flirt" zu schreiben, fragt sich Deutschland, ob es in Ordnung ist, wenn Männer Frauen als Sexobjekte betrachten (*hinthint*: ist es nicht!). Und die Journalistin hat den Text auch nicht geschrieben, um "Schampus vom Chef" zu bekommen. Sie hat ihn geschrieben, weil es notwendig war.

Sie ist übrigens auch nicht die Erste, die solche Mißstände anprangert, sondern die Erste, die dank eines geschickt gewählten Veröffentlichungszeitraums das Glück hat, gehört zu werden. Viele Organisationen, Frauenhäuser und Aktivistinnen kämpfen jeden Tag für eine Gesellschaft ohne sexuelle Gewalt.

Bloggerinnen wie Sue Reindke oder Ninia Binias schreiben seit gestern ihre eigenen schlimmen Erfahrungen auf. Und Antje Schrupp erklärt dankenswerterweise allen, warum solche Vorfälle eben keine Lappalien sind. Und warum sie sehr wohl auch den Ausgang einer Wahl bestimmen dürfen. Klar ist: Menschen dürfen sich jederzeit gegen eine Abwertung ihrer Person wehren. Und die Devise muss immer lauten: Besser spät als nie!

Um nun zu den Situationen zurückzukommen, die ich oben angesprochen habe, hier ein paar Beispiele:
  • Nichtweiße BerlinerInnen werden gefragt, wo sie "wirklich" herkommen
  • Ein lesbisches Paar wird in der Innenstadt bespuckt
  • Jemand faßt Eurer tätowierten Freundin auf die Tinte/ Eurer schwangeren Freundin auf den Bauch/ Eurem Freund mit den schönen Locken ins Haar
  • Ihr seid in Jeans und T-Shirt unterwegs, ein Passant raunt Euch "Fick mich, Schlampe!" zu
  • Eine junge Frau stellt sich als Jane vor, ein Anwesender grunzt: "Ich Tarzan, Du Jane"
... die Liste ließe sich endlos verlängern.


Wie das alles mit uns zusammenhängt II
Es ist wirklich an der Zeit, dass wir uns als Gemeinschaft von vermeintlich harmlosen Beleidigungen im Alltag verabschieden. Erst recht, wenn sie rassistisch, frauenfeindlich oder homophob sind. Sich gegen diese Art der Beleidigung zu stellen, hat nichts mit Unlockerheit oder Humorlosigkeit zu tun. Ihr müßt Euch nicht "endlich mal entspannen" oder "Spaß verstehen". Es geht hier um die Art von Gesellschaft, in der wir leben wollen. Darum, menschenverachtende Muster zu durchbrechen und sich den Arsch in die Hose zurückzutrainieren. Ihr könnt es nicht oft genug sagen und schreiben. Es kann nicht oft genug auf Titelseiten stehen. Erst recht nicht, wenn Ihr Euch als Frauen versteht. Denn wie hat bell hooks einst gesagt:

No black woman writer in this culture can write "too much". Indeed, no woman writer can write "too much". No woman has ever written enough.

Wir dürfen, ja: müssen, schreiben - wann wir wollen, was wir wollen.  

Jan 24, 2013

Debatte Kinderbuchanpassung – der Weg ist das Ziel

Leipziger Buchmesse
Dieser Gastbeitrag wurde von @_maitai_ und @interchris verfasst und mir freundlicherweise zur Veröffentlichung auf GCB zur Verfügung gestellt. 

Seit geraumer Zeit treibt die Debatte um die Streichung von rassistisch oder grundsätzlich diskriminierenden Inhalten aus Kinderbüchern die Republik um. Während einige Stimmen den Vorstoß von Ministerin Kristina Schröder befürworten, sprechen sich doch einige dagegen aus. Folgende zentrale Argumente der Kritiker haben bisher in mir allerdings eher Unverständnis hervorgerufen:

Den Vorwurf der Zensur von zeitgeschichtlichen Dokumenten finde ich unhaltbar: Volksverhetzende Schriften werden ja auch aus dem Verkehr gezogen - wie es sich in einem Rechtsstaat gehört. Und selbst wenn der Staat nicht lenkend eingreift, treffen Verleger regelmäßig kommerzielle Entscheidungen, z.B. Wörter zu ändern um die Relevanz ihrer Produkte zu gewährleisten.

Auch die Aussage, so habe man früher einfach geredet, lasse ich nicht gelten. Andere Wörter, die früher öfter oder anders verwendet wurden, werden sonst auch ohne großes Aufheben an die Neuzeit angepasst: Man würde z.B. sicher Base und Oheim mit Cousine und Onkel in der kleinen Raupe Nimmersatt ersetzen, ohne Empörung hervorzurufen.

Bestimmte andere Begriffe sind allerdings nicht nur veraltet, sondern viel eindeutiger untragbar, weil ihre Bedeutung in der heutigen Gesellschaft als verwerflich anerkannt ist. Dazu gehören zum Beispiel antisemitische und menschenverachtende Begriffe aus der Nazizeit. Diese heute wider besseres Wissen weiterhin zu benutzen, wird zu Recht nicht in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang nimmt der Staat eine eindeutige normative Rolle ein und schreibt selbst der sonst künstlerfreiheitlich geschützten Kultur ihre Grenzen vor. Das Verbieten bestimmter Begriffe wird zwar sicherlich nicht die tiefer sitzende Diskriminierung ausrotten, aber führt zumindest dazu, dass der Staat eine klare Position bezieht und die Betroffen schützt.

Diese werden in der Debatte leider gerne übersehen. Für viele Deutsche ist Deutschland ein - mit wenigen Ausnahmen - weißes Land. Nicht-weiße Deutsche sind in der Öffentlichkeit unsichtbar. Deswegen werden ihre Belange und Gefühle nicht ernst genommen, gar ins Lächerliche gezogen (“political correctness”). Selten verstehen die Gegner einer Sprachaktualisierung, dass es nicht nur für junge Leser, sondern auch ihre Familien schlicht und ergreifend verletzend ist, mit diskriminierende Begriffen, die ihnen vielleicht gestern noch an den Kopf geworfen wurden,  in einem vermeintlich ‘sicheren Bereich’ wie einem Kinderbuch konfrontiert zu werden. Ich würde sogar soweit gehen und vermuten, dass die Gegner der Entfernung des N-Worts, die scheinbar der meinungsgebenden Mehrheitsgruppe angehören, die Problematik, die mit diesen Begriffen einher geht, selten erfassen: Welche Schimpfwörter hören weiße Deutsche, die man nicht einfach souverän abschütteln könnte? Welche scheinbar sozial akzeptieren Wörter geben weißen Deutschen das Gefühl, unerwünscht, unterlegen und wertlos zu sein?

Daher bietet die öffentliche Diskussion, allein deren Existenz schon eine bemerkenswerte Errungenschaft ist, die Möglichkeit, all diese Belange stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

Aus diesem Grund erscheinen mir folgende Fragen, die mit der Umsetzung einhergehen könnten und die für mich in dem Diskurs entschieden zu kurz kommen, viel relevanter als die für mich rhetorische Frage nach dem ‘ob’ :

  • Wie weit kann / darf / sollte der Staat überhaupt in die Kunst eingreifen?
  • Was passiert mit absichtlich aufhetzenden Schriften / hate speech?
  • Wo fängt Rassismus an und wo hört er auf?
  • Was ist mit homophoben oder frauenverachtenden Inhalten?
  • Wie verfährt man mit kritischen Passagen oder Kapiteln?
  • Inwieweit haben die Autor_innen ein Mitspracherecht? Wie wird das Urheberrecht gewahrt?
  • Sollten Begleitmaterialien für Eltern, die die Möglichkeit geben, populäre Schriften kritisch zu vermitteln und sogar zu dekonstruieren, bereitgestellt werden?
  • Könnte ein eingefügtes Vorwort helfen, auf bestimmte Ambivalenzen hinzuweisen?
  • Und wie kann das alles überhaupt finanziert werden?

Ziel der Debatte sollte es eigentlich sein, zu verhindern, dass Kinder und Erwachsene jeglicher Hautfarbe ggf. gegen ihren Willen diskriminierendem Gedankengut ausgesetzt werden -  schließlich werden nicht alle Kinder in einem Umfeld groß, in dem jene Aspekte kritisch vermittelt werden. Das Erhalten einer Blase, in der gedankenlos Menschen verachtende Begriffe und das dazugehörige Gedankengut vor sich hin wuchern, sollte nicht über dem Recht des einzelnen stehen.

Jan 20, 2013

Bloggers wanted: Spread your Baltic Sea Story

Image Source: One BSR
One Baltic Sea Region, an international EU project, is currently looking for people from around the Baltic Sea Region who are eager to present their daily lives and hot trends from their region on an international platform regularly. According to the project's website, it
"wants to show what this region has to offer and give the possibility to experience it as the locals do, as they enjoy their everyday lives." 
The project is looking to find at least one blogger from Denmark, Estonia, Finland, Germany, Latvia, Lithuania, Norway, Poland, Russia, and Sweden respectively. Anybody with an interesting story and at least one year of blogging experience is welcome to apply until 4 February 2013. There's no salary involved, but the most active bloggers will be invited on a round trip around the Baltic Sea at the end of this summer. Get more info on the project and its conditions and find out how to apply here.

Jan 14, 2013

Call for Papers: AllFacebook Marketing Conference

Image: Source
Nach der re:publica startet auch AllFacebook den Call for Papers für ihre bevorstehende Facebook Marketing Konferenz in München. Gesucht werden "Best Practice Beispiele, Strategien, Denkanstöße, ...", die eine Vortragszeit von 20 bis 30 Minuten füllen. Einsendeschluss für Ideen ist der 15. Februar 2013, aber: "Je früher ihr euch meldet desto besser, denn wir sichten das Material fortlaufend." Weitere Infos zum Bewerbungsverfahren inkl. Email-Adresse für den Versand erhaltet Ihr über den Link oben.
Was die Frauenquote betrifft, besteht jedenfalls dringend Aufholbedarf: Im November 2012 kamen laut dieser Übersicht auf 11 Speaker gerade mal drei Speakerinnen. Da geht doch noch was?

Jan 13, 2013

I Am Bradley Manning



"My name is Annina Luzie Schmid. I’m a blogger from Germany, and I support Bradley Manning because not many people would have had the courage to do what he did. May all beings everywhere be happy and free."

Blowing the whistle on war crimes is not a crime. Join the campaign to free Bradley Manning here. More info via the Bradley Manning Support Network.

Jan 12, 2013

GCB Shares: Musik und französische Schimpfwörter

Photo via Oh My DANsE
Lang, lang ist's her, aber die GCB Shares gibt es noch! Angesammelt haben sich inzwischen die folgenden Links:

Liisa von Charming Quark stellt ihre Lieblingsmusik aus 2012 vor - die meisten der Alben, die ich davon noch nicht habe, sind direkt auf meine Wunschliste gewandert. Genau mein Ding, goil! Und einen kleinen Tipp für Kaufwillige habe ich auch noch: Manchmal sind die MP3s auf Amazon billiger als bei iTunes. Nicht immer, aber der Preisvergleich lohnt sich.
Und für die Rap-Fans unter Euch: NPR hat eine Sammlung des Best Rap of 2012 zusammengestellt. Auch nicht schlecht!
Falls Ihr nach Gangnam Style noch nicht genug habt von K-Pop: V. hat eine kleine Auswahl ihrer Lieblingstitel zusammengestellt. Klingt für meine Ohren ziemlich nach Euro Disco.
Wenn wir schon mal bei Korea sind: missboulette erklärt die Bedeutung des koreanischen Volksliedes Arirang und hat ein Soundbeispiel.
Netzpolitik.org stellt das Handbuch Netzneutralität der Digitalen Gesellschaft umsonst bereit. 
Außerdem noch in der digitalen Schublade: Eine Sammlung der wichtigsten französischen Schimpfwörter.
Und für die Yoga-Übenden StrickerInnen unter Euch die beiden letzten Hinweise: 
Neben der lieben Gabi, die ihr Wilmersdorfer-Wollbusiness mit viel Herzblut auf Facebook promotet, betreibt der Laden Wollen Berlin aus Friedrichshain ein hübsches kleines Blog.
Vom 18. - 20. Januar findet in München die nächste Yoga Expo statt. Ich kann leider nicht hin, aber Ihr vielleicht? Claudi von Deutschland is(s)t vegan war letztes Jahr schon da und ihr hat es so gut gefallen, dass sie die Messe dieses Jahr wieder besucht -> hier findet Ihr ihre Vorankündigung.

Jan 11, 2013

Lektionen in Demut: "Yoga für Fortgeschrittene"

Noch im letzten Dezember habe ich etwas getan, das ich nur ausgesprochen selten tue: Ich habe um ein Rezensionsexemplar gebeten. Mir werden zwar immer mal wieder welche angeboten, die mich grundsätzlich auch sehr interessieren, aber ich lehne in der Regel dankend ab, weil ich weiß, dass ich keine Zeit haben werde, sie zu lesen. Oder mir die Zeit nicht nehmen will, weil das Bücherrezensieren in meinem Leben keine Priorität genießt. Weil ich Non-Fiction Romanen vorziehe, weil ich meistens auf Englisch lese, damit meine eigene Schreibe nicht plötzlich klingt wie die von jemand anderem, und weil mich - leider, leider - nur die wenigsten Autorinnen mit ihrem guten Stil so lange bei der Stange halten können, dass ich ein ganzes Buch mit ihnen schaffe. Im letzten Frühsommer hat mich Josh Bazell mal zwei Bände lang amüsiert: Beat the Reaper war super, Wild Thing schon wieder etwas weniger.

Jedenfalls habe ich also nach einem Workshop mit Ronald Steiner im letzten November bei GU um ein Rezensionsexemplar von "Yoga für Fortgeschrittene" gebeten; eine Kollaboration von Steiner und Anna Trökes, von der die meisten Yoga-Praktizierenden in Deutschland wohl schon gehört haben. Sie hat dreißig Jahre in einem eigenen Studio in Berlin unterrichtet, seit einiger Zeit konzentriert sie sich aber auf die Ausbildung neuer Yogalehrer und das Verfassen von Büchern. Ronald Steiner ist Sportarzt und Macher der Seite AshtangaYoga.info. Meine Erwartungen an ein Sachbuch von beiden waren also entsprechend hoch.

Und, wer hätte es gedacht, sie wurden nicht enttäuscht. Die Mischung aus Philosophie, Übungsanweisung und Anatomie ist in dieser Form meines Wissens so noch in keinem deutschsprachigen Yogabuch da gewesen. Neben schönen und informativen Fotos und Illustrationen sind zu den Übungen auch Gegenanzeigen, medizinische Hintergrundinfos und Ausführungsanweisungen enthalten. Letztere gehen deutlich mehr ins Detail als ich es aus anderen Büchern zum Thema kenne, für Menschen wie mich also, die sich auch mit den anatomischen Facetten des Yoga befassen wollen, ist das sehr interessant. Sogar das Kapitel zu Atemübungen und Meditation ist mit derlei Hinweisen versehen. So habe ich zum Beispiel zum ersten Mal gelesen, dass Luftanhalten Migräne vorbeugen kann (sehr vereinfacht gesagt). Dabei sind die beschriebenen Übungen nicht Teil einer festen, vorgeschlagenen Abfolge, sondern sollen laut Anweisung je nach Interesse frei kombiniert werden. Herrlich undogmatisch. 

Vanya Francis von Om Point Yoga
Das einzige designpolitische Manko, das man dem Buch vorwerfen kann, ist, dass die darin abgebildeten vier Personen - drei Frauen und Ronald Steiner - alle ziemlich weiß sind. Ich schreibe "ziemlich", weil mit Franziska Agrawal auch ein etwas dunklerer Typ vertreten ist. Das freut mich erstmal. Aber als Bloggerin mit feministischem, anti-rassistischem Hintergrund hätte ich mir noch mehr Diversity im Bild gewünscht. Auch wenn mir klar ist, dass der Yoga-Markt weiß dominiert ist, gibt es diverse Black Yogis, die ebenfalls toll ins Buch gepasst hätten. Meine Vermutung ist, dass Ronald die Modelle einfach in seinem Freundeskreis rekrutiert hat. Was natürlich ok ist, aber GU bittet im Impressum um Anregungen für künftige Bücher, und das wäre meine.     

Was den Fortgeschrittenen-Aspekt betrifft, bin ich in meinem noch nicht komplett aufgelösten Ego etwas zwiegespalten. Einerseits ist er durch die philosophischen und anatomischen Hintergrundinfos gegeben, andererseits sind die Asanas zumeist altbekannt und - zumindest, was das Körperliche Üben betrifft - für Praktizierende mit mehrjähriger Erfahrung wohl keine besondere Herausforderung mehr. Andererseits soll es im Yoga ja letzten Endes nicht um das Körperliche gehen. Kraft und Flexibilität sind lediglich willkommene Nebeneffekte. Die Einleitung des Buches mit dem Titel "Fortgeschrittenes Üben im Anfängergeist" ist hier besonders interessant: Darin steht, dass es auch beim fortgeschrittenen Üben stets darum geht, jede Praxis neu zu erleben. Der Fortschritt betrifft also nicht die Fähigkeit, den eigenen Körper noch extremer verbiegen zu können, sondern die eigene Haltung zu Dingen, die um einen herum passieren. Im Wesentlichen bedeutet eine Yoga-Praxis innere Entwicklung. Ein guter Hinweis, wie ich finde, mehr denn eine lahme Ausrede für den relativen Mangel an verrückten Verdrehungen im Buch.

Fazit: Ein sehr schönes Yoga-Buch für alle, die es genauer wissen wollen. Es liefert jede Menge Information, die man erstmal verdauen muss. Seine gute Struktur und ansprechende Gestaltung machen es aber auch gut lesbar für Leute, die Text lieber in Häppchen konsumieren. Ich werde "Yoga für Fortgeschrittene" sicherlich noch öfter gerne als Nachschlagewerk zur Hand nehmen. Vielen Dank dafür!

Jan 10, 2013

Fördert politisch bildende Blogs wie NGOs


Im Zuge der Überlegungen, wie Netzpolitik.org überarbeitet werden könnte, macht sich Markus Beckedahl auch Gedanken über mögliche Finanzierungsmodelle, die das Blog dauerhaft tragfähig machen. Er beschreibt Probleme, die im Zusammenhang mit Sponsoring-Deals auftreten und rechnet vor, dass Netzpolitik.org trotz verschiedener Einnahmequellen, umsichtigem Management und verschiedenen gratis erstellten Inhalten pro Monat rund 2200€ Miese macht.

Als Bloggerin, deren Blog ebenfalls vor allem von politischen Inhalten lebt, kenne ich das Problem. Auch wenn ich natürlich weniger Kooperationen und Finanzierungsdeals angeboten bekomme als die weitaus breitenwirksamere Netzpolitik.org. Ich sehe Girls Can Blog hier in Abgrenzung zu beispielsweise Beauty- oder Techblogs, die von Werbung für diese Konsumgüter leben können und möchten.  

Meine Idee wäre nun, dass es einen Topf geben sollte, aus dem Blogs, die politisch bilden, ähnlich NGOs finanziert werden. Es müsste eine Stelle geben, die einen Teil der Mittel, die ohnehin für politische Bildung ausgegeben werden, an förderungswürdige Projekte vergibt. Also nach einer Ausschreibung. Nicht wahllos an irgendwelche BloggerInnen, sondern gezielt an solche, die ein gutes Konzept vorlegen, qualitativ hochwertige Inhalte und vielleicht auch schon überdurchschnittliche Leserzahlen nachweisen können. Und die eine Idee davon haben, wie es mit ihrem Projekt weitergehen soll, also eine kleine Vision. Es sollte darüber hinaus die Möglichkeit bestehen, diese Finanzierung auch über die Zeit zu gewährleisten. Vielleicht nicht endlos, aber doch so dauerhaft, dass die Verantwortlichen die Qualität ihres Angebots wenigstens auf ähnlichem Niveau erhalten können.  

Im Zuge einer solchen Mittelvergabe sollte die Regierung (oder eine andere finanzierende Stelle, z.B. eine Stiftung) natürlich von inhaltlicher Einflussnahme auf das Blog komplett absehen. Ähnlich, wie ja auch beispielsweise soziale Projekte selbständig arbeiten dürfen. Für Blogs, die weder Konsumgüter noch politische Inhalte besprechen, wäre auch eine Finanzierung über Kammern oder Branchenverbände denkbar, denn schließlich wird ja Werbung für die eigene Zunft betrieben. Ich denke hier zum Beispiel an Design-Blogs oder medizinische Inhalte.

Was haltet Ihr von der Idee?

Jan 1, 2013

#rp13 - Call for Papers

Noch bis zum 31. Januar läuft der Call for Papers für die diesjährige re:publica. Gesucht werden "kreative, sachkundige und innovative Sessionvorschläge sowie interessante Konzepte und Methoden" zum Thema IN/SIDE/OUT. Mir gefällt es auf der re:publica ja bekanntermaßen immer sehr gut, weswegen ich - wenigstens als Besucherin - auf jeden Fall auch 2013 wieder dabei sein werde.
Ich kann Euch allen, und ganz besonders den Frauen unter Euch, nur wärmstens empfehlen, Session-Vorschläge einzureichen - trotz ungewöhnlich cleverer Konkurrenz und hart umkämpfter Programm-Slots. Einmal ist immer das erste Mal und auch in der STATION wird nur mit Wasser gekocht, um mal ein paar olle Sprichwörter zu bemühen. Und wer sich nicht alleine traut oder eine gute Idee für eine Kollaboration hat, kann sich gerne vertrauensvoll an mich wenden. Zusammen ist sowas eh meist lustiger als allein. (Obwohl es letztes Jahr dank meines sehr phantastischen Publikums auch so ziemlich geil war!) Und wenn mich nicht alles täuscht, kann mensch sogar mehrere Ideen vorschlagen, so dass zusätzliche Solo-Nummern möglich wären. Hoffentlich sehe ich Euch da, ich freue mich schon! :)