"Und, was gibt's Neues?" frage ich meinen Freund nach einem langen Arbeitstag. "Maria* hat uns bei Facebook entfreundet", antwortet er. Ich schaue ihn ungläubig an. Die Maria, die letztes Jahr nach einer gemeinsam organisierten Veranstaltung noch neben uns am Tisch saß? Die meine Mutter noch in ihrer Freundesliste führt?
"Warum?", frage ich."Sie organisiert sich neu."
"Hä?"
"Ich weiß auch nicht."
So oder ähnlich verliefen in den letzten vierundzwanzig Monaten eine Handvoll Gespräche, deren Ursache mir immer noch Rätsel aufgibt. Entfreunden! Wer, bitte, kommt denn auf so eine bescheuerte Idee? Außer der eifersüchtigen Ehefrau eines alten Studienkollegen, .... [weiter geht's nach dem Sprung]
einer ehemaligen Kommilitonin, die mich noch nie leiden konnte, und einer Autorin im weiteren Bekanntenkreis, der ich garantiert noch häufiger begegnen werde. Letztere hatte sich gefühlte 24 Stunden nach ihrer Freundschaftsannahme überlegt, dass sie mit uns eigentlich lieber nur über Google+ in Kontakt bleiben möchte. Facebook nutze sie, genau wie wir übrigens, "eher privat". Und dann gibt es da noch die Bloggerin, die eines Tages beschloss, dass meine Mutter zwar im echten Leben ganz nett, im virtuellen aber nicht einflussreich genug ist, um auf ihrer Kontaktliste bestehen zu können. "Nicht ärgern, nur wundern", hat eine Freundin zu solchen Phänomenen der zwischenmenschlichen Interaktion immer gesagt. Sie hat dann nicht nur mich von der Freundesliste, sondern sich selbst in Gänze aus dem Netzwerk entfernt.
Ich bin mir nicht sicher, ob all diesen Leuten bewusst ist, was sie da tun. Damit meine ich die Wucht des Affronts. Es ist unmöglich, eine virtuelle Beziehung zu beenden, die "im echten Leben" noch bestehen soll. Diese Trennung funktioniert nicht. Plötzlich derart vor den Kopf gestoßen zu werden ist so schmerzhaft, dass ein unverkrampftes Gespräch bei einem Bier nie wieder möglich ist. Mal abgesehen davon, dass Leute, die auch nur mit dem großen Zeh in der Öffentlichkeit stehen, ihren guten Ruf riskieren. Und wenn es nur bei dem Vorwurf bleibt, nicht mit dem Internetdienst Facebook umgehen zu können. Denn - wem erzähle ich das - das Netzwerk bietet mannigfaltige Möglichkeiten, die Sichtbarkeit eigener Inhalte so zu limitieren, dass bestimmte Kontakte sie nicht lesen können. Oder, noch besser, bestimmte Leute von der eigenen Nachrichtenseite verschwinden zu lassen, ohne dass diese davon jemals erfahren.
Wenn es sich aber nicht um mangelndes Know-How, sondern um schlechten Stil, oder, noch schlimmer, um fehlendes Feingefühl handelt, wie ist als Betroffene zu verfahren? Zumal, wenn man in Sippenhaft genommen wird? Der Scheiß-drauf-Approach funktioniert nicht und die Erfahrung zeigt, dass Nachfragen nur lahme Ausreden produzieren: Man wolle bei Facebook nur die Leute haben, mit denen man "auch so" in Kontakt stehe. Als Person, die Facebook hauptsächlich nutzt, um mit Leuten Konversation zu betreiben, mit denen ich eben nicht täglich spreche, erscheint mir dies komplett widersinnig. Man habe gemerkt, dass die eigenen Standpunkte bezüglich bestimmter Themen doch sehr unterscheidlich seien. Ist doch schön! Wer unsere Demokratie in eine Meinungsdiktatur verwandeln will, ist im Internet grundfalsch. Wer nur hören will, was er schon weiß, ebenfalls. Der Sinn eines Netzwerks ist die Vernetzung. Zumal, wenn die Natur des eigenen Berufs es erfordert, dass die Leute mitbekommen, was man tut. Vor allem AutorInnen, MusikerInnen und JournalistInnen schaden sich durch pseudo-elitäres Denken und restriktives Freundschaftsmanagement in erster Linie selbst. Wer Sympathiebekundungen (in Form von Facebook-Verbindungen) zurücknimmt, macht sich unbeliebt. Wer keinen stichhaltigen Grund für den Sinneswandel nennen kann, wirkt unglaubwürdig, erscheint wankelmütig und launisch. Die Lust auf mehr vergeht in solchen Fällen noch schneller als der Berliner Sommer. Verwandte und Bekannte gleich mit zu entfreunden ist erst recht nur in krassen Fällen in Ordnung: üble Trennungen, persönliche Beleidigungen, Indiskretion. Anders verhält es sich natürlich mit virtuellen Bekanntschaften. Niemand muss sich von dahergelaufenen Fremden ins Wohnzimmer schiffen lassen. Wer unflätig wird, hat kein Recht auf Bewirtung.
Vielleicht ist den Leuten auch einfach nicht klar, dass Entfreundetwerden gemein und verletzend ist. Oder es ist ihnen klar und ihre einzige Möglichkeit, gegen die Welt anzustinken. Mit einer Mordlust, die sich in der digitalen Ära nicht mehr körperlich, sondern nur noch per Tastenklick äußert.
einer ehemaligen Kommilitonin, die mich noch nie leiden konnte, und einer Autorin im weiteren Bekanntenkreis, der ich garantiert noch häufiger begegnen werde. Letztere hatte sich gefühlte 24 Stunden nach ihrer Freundschaftsannahme überlegt, dass sie mit uns eigentlich lieber nur über Google+ in Kontakt bleiben möchte. Facebook nutze sie, genau wie wir übrigens, "eher privat". Und dann gibt es da noch die Bloggerin, die eines Tages beschloss, dass meine Mutter zwar im echten Leben ganz nett, im virtuellen aber nicht einflussreich genug ist, um auf ihrer Kontaktliste bestehen zu können. "Nicht ärgern, nur wundern", hat eine Freundin zu solchen Phänomenen der zwischenmenschlichen Interaktion immer gesagt. Sie hat dann nicht nur mich von der Freundesliste, sondern sich selbst in Gänze aus dem Netzwerk entfernt.
Ich bin mir nicht sicher, ob all diesen Leuten bewusst ist, was sie da tun. Damit meine ich die Wucht des Affronts. Es ist unmöglich, eine virtuelle Beziehung zu beenden, die "im echten Leben" noch bestehen soll. Diese Trennung funktioniert nicht. Plötzlich derart vor den Kopf gestoßen zu werden ist so schmerzhaft, dass ein unverkrampftes Gespräch bei einem Bier nie wieder möglich ist. Mal abgesehen davon, dass Leute, die auch nur mit dem großen Zeh in der Öffentlichkeit stehen, ihren guten Ruf riskieren. Und wenn es nur bei dem Vorwurf bleibt, nicht mit dem Internetdienst Facebook umgehen zu können. Denn - wem erzähle ich das - das Netzwerk bietet mannigfaltige Möglichkeiten, die Sichtbarkeit eigener Inhalte so zu limitieren, dass bestimmte Kontakte sie nicht lesen können. Oder, noch besser, bestimmte Leute von der eigenen Nachrichtenseite verschwinden zu lassen, ohne dass diese davon jemals erfahren.
Wenn es sich aber nicht um mangelndes Know-How, sondern um schlechten Stil, oder, noch schlimmer, um fehlendes Feingefühl handelt, wie ist als Betroffene zu verfahren? Zumal, wenn man in Sippenhaft genommen wird? Der Scheiß-drauf-Approach funktioniert nicht und die Erfahrung zeigt, dass Nachfragen nur lahme Ausreden produzieren: Man wolle bei Facebook nur die Leute haben, mit denen man "auch so" in Kontakt stehe. Als Person, die Facebook hauptsächlich nutzt, um mit Leuten Konversation zu betreiben, mit denen ich eben nicht täglich spreche, erscheint mir dies komplett widersinnig. Man habe gemerkt, dass die eigenen Standpunkte bezüglich bestimmter Themen doch sehr unterscheidlich seien. Ist doch schön! Wer unsere Demokratie in eine Meinungsdiktatur verwandeln will, ist im Internet grundfalsch. Wer nur hören will, was er schon weiß, ebenfalls. Der Sinn eines Netzwerks ist die Vernetzung. Zumal, wenn die Natur des eigenen Berufs es erfordert, dass die Leute mitbekommen, was man tut. Vor allem AutorInnen, MusikerInnen und JournalistInnen schaden sich durch pseudo-elitäres Denken und restriktives Freundschaftsmanagement in erster Linie selbst. Wer Sympathiebekundungen (in Form von Facebook-Verbindungen) zurücknimmt, macht sich unbeliebt. Wer keinen stichhaltigen Grund für den Sinneswandel nennen kann, wirkt unglaubwürdig, erscheint wankelmütig und launisch. Die Lust auf mehr vergeht in solchen Fällen noch schneller als der Berliner Sommer. Verwandte und Bekannte gleich mit zu entfreunden ist erst recht nur in krassen Fällen in Ordnung: üble Trennungen, persönliche Beleidigungen, Indiskretion. Anders verhält es sich natürlich mit virtuellen Bekanntschaften. Niemand muss sich von dahergelaufenen Fremden ins Wohnzimmer schiffen lassen. Wer unflätig wird, hat kein Recht auf Bewirtung.
Vielleicht ist den Leuten auch einfach nicht klar, dass Entfreundetwerden gemein und verletzend ist. Oder es ist ihnen klar und ihre einzige Möglichkeit, gegen die Welt anzustinken. Mit einer Mordlust, die sich in der digitalen Ära nicht mehr körperlich, sondern nur noch per Tastenklick äußert.
*Name geändert, um nicht alles noch schlimmer zu machen.
Oh, der Artikel spricht mir so aus dem Herzen...
ReplyDeleteIch verstehe diese Leute nicht, die dann auch noch angeben: ich bin nur mit Leuten auf Facebook befreundet mit denen ch auch im wirklichen Leben befreundet bin...
habe ich auch schon von ein paarBloggerinnen gehört...
also wirklich, wer sein Gesicht ins Internet hängt...aber naja, wir haben da ja die gleiche Meinung :)
...Und es geht ja gar nicht darum, wahllos jede/n anzunehmen, sondern sich eben vorher Gedanken zu machen, ob man die entsprechende Person auf der Liste haben möchte oder nicht.
ReplyDeleteAugenblick mal, es ist doch jedem selbst überlassen, wie er Facebook nutzt. Dabei kann ich mich organisieren, wie ich möchte. Und wenn mich Leute nerven, dann sperr ich die erstmal auf meiner Timeline, irgendwann kriegen sie eine Amnestie und wenn sie dann immer noch nerven und ich auch keinen wirklichen Bezug zu ihnen hab, dann fliegen sie im hohen Bogen aus meiner Freundesliste.
ReplyDeleteZu dem "Nur Leute die ich persönlich kenne"-Thema. Ja und. Wie gesagt, es gibt doch keine vorgeschriebene Regel, die besagt, dass ich mit jedem befreundet sein muss, nur weil der Andere das will. Nur weil man in irgendeiner Art und Weise relevant ist, kann es doch trotzdem sein, dass ich Facebook zu Kommunikation mit engen Freunden nutzen will.
Ich sage ja nicht, dass jede/r mit jeder/m befreundet sein muss! Und sperren o.ä. ist ja auch gar nicht das Problem. Mein Punkt ist (siehe Kommentar oben): den ganzen Stress kann man sich ja easy sparen, wenn man vorher mal fünf gedankliche Pfennig an sein Bekanntenmanagement verschwendet!
ReplyDeleteNicht unbedingt, das ganze System ist doch quasi auf Trial and Error aufgebaut. Ich fang an mich mit Facebook zu beschäftigen, ich suche mir Freunde, ich merke ein paar Monaten (Wochen, Tagen, Stunden...), irgendwie will ich das Anders nutzen, ich organisiere mich neu. Und dann fängt der Kreislauf von vorne an. Ob ich die entsprechende Person dann in meiner Freundesliste haben will oder nicht, hängt davon ab was diese Person macht, nicht wer sie am Anfang ist. Entwicklungen sind, meiner Meinung nach, wichtiger als ein Zustand am Anfang. Zu dem kann man sich die Frage stellen, ob ein Ablehnen am Beginn nicht durchaus verletzender sein kann, als ein Entfrienden irgendwann später.
ReplyDeleteHmmm... In meinem persönlichen Fall denke ich nicht, dass die Leute sich von meinen Beiträgen gestört gefühlt haben (mit einer Ausnahme, offensichtlich, als die politische Meinung nicht geteilt wurde - aber was, bitte, ist das denn für ein Grund?) - und dem wäre ja per "Beiträge verstecken" bzw. "Abonnement kündigen" leicht ohne den Affront abgeholfen. Ob die Ablehnung zu Beginn assiger ist als später... kommt wohl auf die Situation an??? Aber interessante Frage, auf jeden Fall!
ReplyDeleteDeinem Artikel stimme ich voll und ganz zu. Es ist total gemein einfach gestrichen zu werden - vor allem ohne Ankündigung und Begründung. Sondern einfach nur, weil man offenbar nicht (mehr) in die Kategorie der Personen passt, die sonst noch auf der Freundesliste stehen....
ReplyDeleteDen Vogel hat da mal jemand abgeschossen, den ich noch aus der Schulzeit kannte, und der mich nach einiger Zeit FB-Freundschaft wieder aus seiner Liste rausgekickt hat. Als dieser dann ein Jahr später gemerkt hat, dass ich ihm für eine bestimmte Sache nützlich sein konnte, hat er mir wieder eine Freundschaftsanfrage geschickt. Habe ich natürlich und ohne weitere Begründung abgelehnt. Tststs. Echt, so was geht nicht in meinen Kopf rein....