Wer noch nie auf der Re:publica war, muss wissen, dass sie im Grunde
eine Twittererkonferenz ist. Ein Ort, an dem sich Leute, die unter
Nicknames Kurznachrichten schreiben, mal im RL ("Real Life") sehen
möchten. Sehen wie: von weitem Betrachten. Re:publicaner sind
Leute, die es schaffen, alle gleichzeitig an einem nicht-virtuellen Ort
zu sein, und es trotzdem fertig bringen, nur neben Leuten zu stehen, die
sie auch sonst jeden Tag treffen. In der Kalkscheune, dem
ursprünglichen Veranstaltungsort, hatte mensch für derlei Verhalten noch
brauchbare Ausreden: zu voll, zu verwinkelt, zu weit weg vom total
nahen Friedrichstadtpalast, wo die andere Hälfte des Programms
stattfand. In der neuen Location, der STATION Berlin, ziehen diese Ausreden nicht mehr.
Die STATION ist ein alter Bahnhof turned
Event-Areal. Ihre Hallen und Räume sind über einen Hof miteinander
verbunden, der zum einzigen Ein- und Ausgang führt. Durch den Mangel an
nahgelegenen Restaurants ist man gezwungen, drei Tage lang in
Sichtweite aller zu essen. Ob man will oder nicht, man erkennt an jeder
Ecke Leute. Die man dann irgendwie nicht grüßt. Obwohl sie sich für fast
dieselben Themen interessieren wie man selber und zum Glück auch
weniger gut aussehen als auf ihren coolen Profilbildern. Alleine
herumstehen ist allerdings immer noch besser, als wieder zu gehen. Zu Hause wäre nämlich
nur wieder das Internet, in dem alle, aber auch wirklich absolut alle,
über die Re:publica reden.
Auch dabei: die Bloggerinnen @einaugenschmaus und @ninialagrande |
Wer
aufgrund beruflicher Verpflichtungen das Pecht hatte, nicht alle drei
Tage anwesend sein zu können, dem soll für's nächste Mal gesagt sein: Für die Teilnahme an der Re:publica kann Bildungsurlaub eingereicht
werden. Oder natürlich normaler Urlaub, was aufgrund des privaten
Interesses der meisten Teilnehmer an den besprochenen Themen und dem
vielen Freibier gar keine so abwegige Idee ist.
Wo liegt überhaupt dieses Äthiopien? Markos Lemma klärt auf. |
Experten wie Leander Wattig (@wasmitbuechern) oder Markos Lemma (@eweket) erzählen einem auf der Re:publica nämlich Dinge, die man wirklich
noch nicht wusste: Dass die Top 10 der deutschsprachigen Autoren 41% aller
ausbezahlten Schriftstellerhonorare kassieren. Dass die Leute in
Äthiopien nicht Internetzugänge fordern, sondern Zugang zu Facebook. Nur
etwa ein Prozent der äthiopischen Bevölkerung verfügt über einen
Internetanschluss - dasselbe eine Prozent, welches Englisch spricht. Da
die Kommunikation vor Ort in erster Linie mündlich auf der Straße
funktioniert, drucken manche äthiopischen Blogger ihre Artikel aus und
verteilen sie als Flugblätter. Überhaupt muss sich ändern, dass die
meisten Informationen, die über Äthiopien im Netz erhältlich sind, von
Nicht-Äthiopiern bereitgestellt werden. Blogger wie Daniel Berhane und Billene Seyoum arbeiten daran.
Nette Helfer hinter Speakerin |
Der Titel meines eigenen Workshops lautete dieses Jahr "Delete!". Die Idee war, auf
unterhaltsame Art laut darüber nachzudenken, welche der eigenen Social
Network-Profile, die sich über die Jahre angesammelt haben, eigentlich
noch nötig sind. Der Höhepunkt der Session sollte sein, dass ich nach
Diskussion mit dem Publikum ein paar davon öffentlich lösche. Nach
zweitägigem Last Minute-Orga-Chaos und ein paar bemerkenswerten Aussagen
("Wie, du brauchst für deine Präsentation eine Leinwand und einen
Beamer? Das hatten wir nicht vermutet. In dem Fall würde ich dich
bitten, dir im Programm selbst einen freien Slot auf einer Bühne zu
suchen, die über diese Ausstattung verfügt." - WTF?!?), hat ein fähiger
Bühnenmanager gut mit dem Zufall gearbeitet und mir den perfekten Raum
organisiert. Anstatt im akustisch höchst problematischen Open Space,
dessen Sessions auf dem offiziell verteilten, ausgedruckten Programm
übrigens gar nicht aufgeführt waren, durfte ich Stage 8 besetzen.
Abgesehen von dem auf allen Re:publicas chronisch fehlenden WLAN war
dort die benötigte Technik vorhanden. Zusätzlich war der
Raum etwas abgelegen, dadurch relativ ruhig, und bot genug Platz für die
knapp vierzig Leute, die dann doch noch kamen. Besonders gefreut hat
mich die lebhafte Diskussion im Anschluss an meinen Vortrag, die über
eine Stunde dauerte und mit einem Bier im Hof endete. Zufriedene Tweets
aus dem Publikum, zum Beispiel dieser, gehen immer noch runter wie Öl und machen mich froh und glücklich. Danke an alle, die da waren!
Teil des besten Workshop-Publikums der Welt: @keasone und @zwo_null |
Insgesamt ist die
Re:publica inzwischen weit mehr als das Nerd-Klassentreffen, als
das sie gerne bezeichnet wird. Mit SpeakerInnen wie Neelie Kroes (@neeliekroeseu) und Steffen Seibert (@regsprecher)
und gesellschaftlich relevanten Themen wie Barrierefreiheit,
Menschenrechte, Gleichstellung und Demokratieförderung mausert sie sich
zu einem wegweisenden, partizipativen, internationalen ThinkTank. Dank
der Vernetzung seiner Besucher untereinander und mit der Allgemeinheit
ist dieser Think Tank in den Möglichkeiten seiner Einflussnahme
einzigartig. Die Re:publica ist außerdem eine der wenigen
Konferenzen, auf deren zweiten und dritten Tag man sich ebenso freut wie auf den
ersten. Die angenehme Atmosphäre dieses Jahr lag dabei sicherlich nicht zuletzt am hohen Frauenanteil unter den Speakern und im Publikum.
Auch wenn die Konferenz immer größer und somit die
Konkurrenz jedes Jahr härter wird, hoffe ich sehr, dass ich nächstes
Jahr wieder als Speakerin dabei sein darf. Mich persönlich hat die #rp12
nämlich daran erinnert, warum ich vor sieben Jahren mit dem Bloggen
begonnen habe, und mir so Lust darauf gemacht, damit endlich wieder weiterzumachen. Vielleicht seltener auf Englisch, aber meinungsfreudig und
thematisch ein bißchen breiter gefächert. Hauptsache, ich kann 2013
wieder im Hof der STATION in der Sonne stehen und Menschen wie das happyschnitzel von weitem erkennen.
Und sehr schön, dich mal live und in Farbe zu sehen!
ReplyDeleteDanke, hat mich auch gefreut! :)
ReplyDeleteLovely! Mehr davon bitte gerne 2013 und ab jetzt mit abonniertem RSS in jedem deiner Postings! Merci für die Mention und was den Tweet angeht, aber sehr gerne doch! (:
ReplyDeleteThanks for mentioning the smallest blogger community in Ethiopia. Hope i had more time to discuss with you in person - but i am following your posts here.
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